Kein Konsens bei der Rentenreform

Von: Alexander Hagelucken
Suddeutsche Zeitung, den 16. Januar 2001

Union legt sich auf Ablehnung fest / Regierung ringt um Einbeziehung von Immobilien in Vorsorge

Berlin - Die Chance auf eine gemeinsame Rentenreform der großen Parteien sind auf einen Nullpunkt gesunken. Die Union will dem Vorhaben der Regierung endgültig nicht zustimmen. Die rot-grüne Koalition entscheidet diesen Dienstag darüber, ob die Deutschen Zuschüsse zur Altersvorsorge mit Hilfe von Immobilien erhalten.

Anders als in früheren Fällen wird es diesmal aller Voraussicht nach keinen Konsens über die Reform der gesetzlichen Alterssicherung geben. „Die Zeichen stehen auf Ablehnung“, sagte CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel auf der Klausurtagung des Vorstands ihrer Partei in Mainz. Damit dürfte die Union trotz monatelanger Konsensgespräche dagegen stimmen, wenn am 26. Januar die Rentenreform der Bundesregierung im Bundestag verabschiedet werden soll. Ähnlich war es der Unionsregierung vor der Wahl 1998 mit ihrer Rentenreform gegangen, die die SPD ablehnte und unter dem Stichwort „Sozialabbau“ zum Wahlkampfthema machte. In den Jahrzehnten zuvor hatten die beiden Volksparteien große Sozialreformen meist zusammen beschlossen.

Die Christdemokraten lassen sich zwar ein Schlupfloch für einen Konsens mit der Bundesregierung offen. Die Partei werde bis zur letzten Minute versuchen, Verbesserungen zu erreichen, hieß es in Mainz. Eine Zustimmung erscheint nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung jedoch unwahrscheinlich. Die CDU kritisiert unter anderem, die Regierung verschleiere die wahre Höhe des künftigen Rentenniveaus und kürze die Witwenrenten zu stark. Außerdem werde das Rentenniveau noch weiter sinken, wenn das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zur Neuregelung der Rentenbesteuerung gesprochen habe.

Gewerkschaften dafür

Lob für den Regierungsentwurf gab es erneut von den Gewerkschaften. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Dieter Schulte, sagte zwar, es gebe bei manchen Detailfragen ein gewisses Unbehagen. Entscheidend sei aber das Rentenniveau. „Wir konnten durchsetzen, dass das Niveau in der gesetzlichen Rentenversicherung konstant über 67 Prozent des Nettolohns bleibt. Das ist unser Erfolg. “

In der Regierung scheint bei der Rentenreform nur noch offen, ob künftig auch die private Altersvorsorge mit Hilfe von Immobilien durch Zuschüsse gefördert werden soll. Darüber wollen die Fraktionen von SPD und Grünen an diesem Dienstag abstimmen. „Wir erwarten, dass das Finanzministerium einen Vorschlag vorlegt, der die Einbeziehung von Immobilien ermöglicht“, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, der Süddeutschen Zeitung.

Die Grünen sprechen sich schon länger für eine Förderung der Immobilie aus, während nach bisherigem Stand nur andere Vorsorgeprodukte wie Aktien- und Rentenfonds oder Rentenversicherungen mit staatlichen Zuschüssen rechnen können. In der SPD-Fraktion hieß es, die Meinung sei gespalten. So drängten Wohnungsbauexperten auf eine Förderung der Immobilie. Auch Abgeordnete aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg machten sich mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen dafür stark. Bei Finanzpolitikern überwiege die Skepsis.

Eine Sprecherin von Finanzminister Hans Eichel (SPD) erklärte dagegen, es gebe nach wie vor praktische Probleme bei der Förderung von Immobilien. Das Regierungskonzept sieht vor, dass Altersvorsorgeprodukte bestimmte Kriterien erfüllen müssen, um Zuschüsse zu erhalten. So soll aus ihnen im Alter eine monatliche Rente fließen, die das angesparte Kapital etwa bei einem Aktienfonds nach und nach aufzehrt. Kaufe sich jemand allerdings ein Haus fürs Alter, zehre sich diese Anlage nicht auf und könne vererbt werden. Damit würden Immobilieninvestoren bevorzugt.

Für Unmut unter Häuslebauern könnte es sorgen, wenn ihre Immobilie im Alter besteuert wird. Das Konzept der Regierung sieht vor, Vorsorge während der Ansparphase bis zu einem gewissen Betrag steuerfrei zu ermöglichen und stattdessen die Erträge im Alter zu besteuern. Da die Erträge im Alter bei einem selbstgenutzten Haus aus ersparter Miete bestehen, müsste nach dieser Logik eine fiktive Mietersparnis abgeschätzt und mit Steuern belegt werden.

Wenig Begeisterung dürfte es bei Immobilienanlegern auch auslösen, wenn sie ihr Haus nicht beleihen dürfen. Ein solches Beleihungs- und Verpfändungsverbot könnte nach den Förderkriterien der Regierung nötig werden, die einen Anleger davor schützen sollen, im Alter ohne Erspartes dazustehen.

 


Global Action on Aging
PO Box 20022, New York, NY 10025
Phone: +1 (212) 557-3163 - Fax: +1 (212) 557-3164
Email: globalaging@globalaging.org


We welcome comments and suggestions about this site. Please send us your name for our postal and electronic mailing lists.